Heimatverein Egestorf e.V.

Das „Soltau-Lüneburg Abkommen“

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg führten kanadische Truppen und Einheiten der Britischen Rheinarmee militärische Übungen in der Lüneburger Heide auf der Grundlage des Besatzungsrechts durch. Einen festen Übungsraum gab es nicht. Die Besatzungstruppen erweiterten ihre Übungsgebiete stetig bis hin zum Wilseder Berg, von dem sie sich dann Ende der 1940er Jahre zurückzogen. Die damaligen Vorsitzenden des Vereins Naturschutzpark (VNP), Hans Domizlaff und Alfred Toepfer, kämpften für den Erhalt der Naturflächen, doch der britische Oberbefehlshaber stellte als Alternative nur Acker- und Grünlandflächen in Aussicht, die jedoch dringend für die Ernährung der Bevölkerung benötigt wurden.

Am 3. August 1959 unterzeichneten die Bundesrepublik, Kanada und das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland in Bonn ein Sonderabkommen über Manöver und Übungen im Raum Soltau-Lüneburg. Es trat am 1. Juli 1963 unter der Bezeichnung Soltau-Lüneburg-Abkommen in Kraft. Es gestattete den Stationierungstruppen ganzjährig in dem festgelegten Gebiet militärische Übungen durchzuführen. Die Orte und Gehöfte durften nicht als Angriffsziele dienen, an Sonn- und Feiertagen durften keine Panzer fahren.

Das Soltau-Lüneburg-Abkommen umfasste einen 40 km langen und 10 km breiten Raum zwischen Soltau und Lüneburg mit einer Fläche von ca. 34.500 ha, in dem etwa 26.000 Menschen lebten. Hiervon standen ca. 4.600 ha als sogenannte ‚Rote Flächen‘ zur ständigen Nutzung zur Verfügung, ca. 3.700 ha gehörten zum heutigen Landkreis Heidekreis, die restlichen 900 ha zum Landkreis Lüneburg. In unserer Gemeinde war besonders Evendorf am Rand dieses Gebietes betroffen, es fanden ständig grenzüberschreitende Übungen statt, die große Schäden auf den Feldern und Wegen verursachten.

In der Schulchronik steht die folgende Aufzeichnung eines Presseberichtes aus den 1950er Jahren: „Die Panzer rollen mal wieder über unsere Felder“, meldete ein Bauer aus Evendorf gestern Mittag der Redaktion des "Winsener Anzeigers". Wir fuhren hinaus. In der Dorfstraße von Evendorf kam uns eine Kolonne von schweren Panzern entgegen. Sie schwenkten auf den Weg nach Soderstorf, sich dabei in eine Staubwolke hüllend. Wir fuhren hinauf zur Siedlung am Druhwald. Die Bäuerin Wulze zeigte uns die breiten Streifen, die die Panzer gestern in ihren reifen Kornfeldern, auf dem Rüben- und Kartoffelacker gezogen haben. Sie muss allein mit drei Töchtern ihren 71 Morgen großen Hof bewirtschaften. Der Mann ist schwer krank, der älteste Sohn vor einem Jahr tödlich verunglückt. Die Arbeit geht fast über ihre Kräfte und nun noch diese Schäden. Die Panzerfurchen laufen ganz unterschiedlich durch die Felder, einige in Kurven und im Halbrund wieder auf einen Weg, andere quer in grader Linie bis zur Straße nach Soderstorf. In Schwindebeck wurde dem Bauern Peper eine Kiefernkultur zerfahren. Wir wollten ihn aufsuchen und mussten den Sandweg von Evendorf nach Soderstorf nehmen. Wir kamen nicht weit. Auf halbem Weg rollten uns die schweren Kolosse entgegen. Der Weg war so aufgewühlt, dass an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken war. Oben auf der Höhe, wo niedrige Kiefern stehen und die Heide ihre ersten Blüten zeigt, standen gestern Abend reihenweise die stählernen Ungetüme. Von allen Seiten hörte man das Rasseln der Ketten und das Heulen der schweren Motoren, wenn die Fahrzeuge sich durch das wellige Gelände bewegten. Man denkt dabei unwillig an die politische Situation im Nahen Osten und überlegt, ob diese kanadischen Einheiten, die jetzt noch so unbekümmert hier herumkurven und über die bestellten Felder der Bauern fahren, diese Heidelandschaft noch mit der Wüste Kleinasiens vertauschen müssen.

Ein Bericht aus den 1960er Jahren lautet: Der Rat diskutierte über Manöverschäden. Zwar werden die angerichteten Flurschäden im Rahmen des Soltau-Lüneburg-Abkommens beseitigt, doch hat auch hier mitunter "gut Ding seine Weile". Die von den Herbstmanövern aufgewühlten Straßen und Wege sind zum großen Teil noch nicht wieder instand gesetzt worden.

Gegen Ende des ‚Kalten Krieges‘ wurde 1989 das Soltau-Lüneburg-Abkommen neu verhandelt, um die Belastung der Bevölkerung durch die Übungstätigkeit zu verringern. Man vereinbarte ab 1990 eine mehrwöchige Übungspause während der Zeit der Heideblüte und damit der Haupttouristenzeit im August und September. Außerdem durften an Sonn- und Feiertagen auf den ‚Roten Flächen‘ keine Panzer mehr fahren. Die Orte bekamen eine 400 m breite Pufferzone gegen Panzerübungen und durften nachts nicht mehr passiert werden.

Nach der Wiedervereinigung unterzeichneten die beiden Verteidigungsminister Stoltenberg und King am 17. Oktober 1991 eine Vereinbarung über die Beendigung der Übungstätigkeit in der Heide. Am 31. Juli 1994 lief das Soltau-Lüneburg-Abkommen aus und die letzten ‚Roten Flächen‘ wurden an den Verein Naturschutzpark zurückgegeben, der diese in der Folgezeit mit Unterstützung des Bundes renaturierte.

 

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