Heimatverein Egestorf e.V.

Im 19. Jahrhundert wurden noch sehr viele Ehen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geschlossen, das Wohlergehen des Hofes hatte Vorrang vor Gefühlen. Eine „gute Partie“ auszusuchen war selbstverständlich. Bevor eine Verlobung beschlossen wurde, besuchten sich die Eltern der Brautleute gegenseitig um festzustellen, wie die wirtschaftliche Situation des jeweiligen Hofes war. Hier wurde auch besprochen, wie hoch die Mitgift (Ablobung/Aussteuer) der Braut sein sollte. Bei noch nicht abgelösten Höfen musste der Mitgiftvertrag dem Lehnsherrn zur Genehmigung vorgelegt werden. Bei abgelösten Höfen wurde die Mitgift so festgesetzt, dass der aussteuernde Hof in seiner Substanz nicht gefährdet wurde. Trotzdem stellten Ablobungen für viele Höfe eine sehr hohe Belastung dar, da zumeist mehrere Kinder ausgesteuert werden mussten.

Im 19. Jahrhundert wurde die Naturalmitgift häufig durch weiteres Bargeld ersetzt. Im 18. Jahrhundert war der Anteil der Naturalien noch sehr hoch, je nach Vermögen und Größe des Hofes wurde z. B. mitgegeben: 1-6 Kühe, 1-6 Schweine, 4-40 Schafe, 1-6 Bienenvölker, 1-12 Himten Roggen (1 Himten = ca. 30 kg), 1-12 Himten Buchweizen und ¼ bis 2 Tonnen Honig (1 Tonne = ca. 150 kg). In unserer Umgebung mit vielfach mageren Böden und somit ärmeren Bauern fiel die Aussteuer im Allgemeinen geringer aus. Wenn eine Frau den Hof übernahm, was durchaus vorkam, brachte der zukünftige Ehemann ebenso eine Abfindung mit.


Ein Beispiel aus Egestorf von 1869: „Ehestiftung zwischen Abbauer und Witwer Peter Heinrich Christoph Bahlburg, 47 Jahre alt (stammte vom Hof Nr. 6, Gellersens/Barkhof), als Bräutigam und der Jungfrau Anne Catherine Studtmann (vom Hof Nr. 3, Witten) aus Egestorf, 31 Jahre alt, als Braut. Die Braut heiratet zu dem Bräutigam und bringt demselben das folgende Brautschatzgut in die Ehe und Stelle:
a) An barem Gelde einhundertfünfundzwanzig Thaler Courant
b) Zehn Thaler Courant für ein Ehrenkleid
c) Ein vollständiges Bett, einen neuen eichenen Kleiderschrank und einen eichenen Koffer (Aussteuertruhe) nebst den übrigen zu einem ortsgebräuchlichen Kistenpfande gehörigen kleineren Gegenständen - bei der Hochzeit erfolgend - und
d) Drei um drei, d. h. zwei Kühe und ein Rind, drei Schweine, drei Sack Roggen á fünf Himten.
e) An selbst erworbenem Vermögen die Summe von Einhundert Thalern Courant.
Wegen der künftigen Erb- und Todesfälle haben die angehenden Eheleute „Längst Leib, längst Gut“ (Versorgung und Pflege bis zum Tod) unter sich verabredet und festgesetzt.“ Die Eintragung mit weiteren Bedingungen erfolgte am 19.11.1869 beim Königlichen Amtsgericht in Winsen.


Die Verlobung von jungen Leuten wurde zweimal gefeiert, das erste Mal im Hause des Bräutigams. Hier nahmen die Gäste den Besitz in Augenschein, am Sonntag darauf fand die Verlobungsfeier bei der Braut statt. War alles zur Zufriedenheit ausgefallen, wurde der Hochzeitstag und die Zahl der Einzuladenden festgelegt, oftmals bis zu 400 Personen nahmen an der Feier teil, die mehrere Tage stattfand. Kam die Zeit der Hochzeit, so zog der „Köstenbitter“ zu Fuß, hoch zu Ross oder später auch mit dem Fahrrad von Dorf zu Dorf, um Verwandte und Bekannte des Paares mit einem langen „Köstenbitterspruch“ zur „Köst“ einzuladen. Er war mit einem dunklen Anzug und mit Blumen oder bunten Bändern geschmückten Zylinderhut bekleidet.


Zwei Tage vor der Hochzeit wurde auf Leiterwagen die Aussteuer zum Hof gefahren. Auf dem ersten Wagen saß eine Frau, die das Spinnrad hielt, weitere zwei Frauen verteilten an die Kinder Waffelkuchen und Brautobst. Abends fand der Polterabend statt. Vor der Haustür warf man alte Krüge und Töpfe entzwei, die jungen Männer wurden mit Bier, Köm, Grog und Zigarren bewirtet. Die jungen Mädchen banden den Jungfernkranz und bekamen Kaffee und Kuchen, anschließend wurde gesungen und getanzt. Am Tag vor der Hochzeit gingen einige der jungen Mädchen zum Kartoffelschälen ins Hochzeitshaus, abends legten Freunde den „Katerstieg“. Sie streuten vom Haus des Bräutigams bis zum Haus einer früheren Freundin Sägespäne. Manchmal wurde ein Bienenkorb oder in späteren Zeiten ein Kinderwagen auf das Dach oder den Schornstein gestellt.


Am Vormittag des Hochzeitstages veranstalteten die jungen Männer ein Wettreiten, der Sieger erhielt einen bunt geschmückten Reisigbesen, mit dem er zum Hochzeitshaus ritt. Die Braut trug ein schwarzes Kleid oder eine Tracht mit Haube/Schleier, der Bräutigam Kniebundhosen, ein dunkles Jackett mit blanken Knöpfen und einen Hut. Nach der kirchlichen Trauung - die standesamtliche Eheschließung war hier erst ab 1874 Pflicht - begann die Feier auf der großen Diele. Die Mutter des Hauses nahm die junge Frau bei der Hand und führte sie um die Herdstelle herum. Die neue Bäuerin musste nun zeigen, dass sie ein Herdfeuer entzünden kann. Der Jungbauer erhielt einen Beutel Korn und eine neue Harke und ging über die Diele auf den Hof. Somit war das junge Ehepaar von der Hochzeitsgesellschaft in seine Rechte als Bewirtschafter des Hofes eingesetzt. Speisen wurden in großen Mengen aufgetragen, aus Stein- und bunten Tonkrügen trank man Bier und Honigwein, dazu schenkte man „Schluck“ (Weizenkorn) aus. Natürlich spielten auch Musikanten auf, man tanzte unter anderem Dreitritt, Achterrüm, Schottsch‘, Walzer und Quadrillen. Nachts um 12 Uhr wurde der Braut der Schleier abgerissen, jeder versuchte davon ein Stück zu erhaschen. Mit verbundenen Augen musste die Braut nun ein junges Mädchen ergreifen, das dann die nächste Eheanwärterin sein sollte. Ebenso wählte der junge Ehemann einen Ehekandidaten aus. Dieser Brauch ist ebenfalls bis in unsere Zeit erhalten geblieben.
Seit dem Hochzeitstag trug die Hausfrau auf dem Haar immer eine Haube oder ein Kopftuch, daher das Sprichwort „Sie ist unter die Haube gekommen“.

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