Heimatverein Egestorf e.V.

Das alte Egestorfer Pastorenhaus

 

Ursprünglich gehörte Egestorf zum Kirchspiel Salzhausen. Im Dorf befand sich nur eine kleine hölzerne Kapelle für Andachten, sie wurde 1337 erstmalig erwähnt. 1419 löste sich Egestorf von der Mutterkirche ab, am 15. Mai hatte man mit Zustimmung des Archidiakons von Salzhausen und seines Plebans (Priesters) die Trennungsurkunde des Bischofs von Verden in den Händen. Zum neuen Kirchspiel gehörten die Dörfer Egestorf, Döhle, Sahrendorf, Schätzendorf und Nindorf. Die endgültige Trennung von Salzhausen fand 1447 statt, der erste Pfarrer Carsten Dachtmissen wird in Aufzeichnungen genannt. Man begann schon bald mit dem Bau einer neuen Kirche im gotischen Stil, für den Geistlichen wurde außerdem eine Unterkunft benötigt. Auf dem wahrscheinlich während der Pestzeit „wüst“ gewordenen Kuhlhof (leerstehende Hofstelle, die Bewohner verstorben) wurde nach Vereinbarung mit dem zuständigen Grundherrn von Schenk zu Lindhorst ein Pfarrhaus eingerichtet. Finanziert wurden die Bauten durch Sammlungen und Spenden, unter anderem auch aus Salzhausen.

 

Auf diesem Grundstück steht heute noch das Pfarr- und Gemeindehaus der evangelischen St. Stephanus-Kirchengemeinde, das jetzige Wohngebiet „Kuhlhof“ gehörte zum Anwesen dazu, der Name des Flurstückes ist bis in die heutige Zeit erhalten geblieben.
Während des 30-jährigen Krieges wurden viele Dörfer in unserer Region von durchziehenden Soldaten überfallen, ausgeraubt und Häuser in Brand gesteckt. 1642 kamen schwedische Söldner durch Egestorf. Der damalige Pastor Conradus Sonnemann floh rechtzeitig mit der Dorfbevölkerung in die Wellberge (hinter der Autobahnauffahrt links). Die Wertsachen (Abendmahlsgeräte, Geldkassette) sowie die Kirchenrechnung nahm er mit, leider nicht die Kirchenbücher mit den wichtigen Aufzeichnungen aus vorherigen Zeiten. Die Söldner fanden im Pfarrhaus keine wertvolle Beute, und aus Ärger steckten sie es an. Es brannte vollständig ab, zum Glück blieben die Kirche (die bereits baufällig war) und die meisten Häuser erhalten.

1694 fand bereits eine Reparatur des wieder errichteten Hauses statt, es hielt dann fast 100 Jahre. 1789 entstand ein neues Pfarrhaus, es war das größte Gebäude im Ort. Es hatte einen Stallteil, denn die Geistlichen führten auch eine kleine Vieh- und Landwirtschaft. In 175 Jahren wohnten hier neun Pastoren mit ihren Familien. Der wohl bekannteste Bewohner war der „Heidepastor“ Wilhelm Bode, er lebte mit seinen Angehörigen von 1886 bis 1923 in diesem Haus. Er ließ die Wohnräume erneuern und vom Kunstmaler Friedrich Schwarz mit aussagekräftigen Sprüchen und Bildern gestalten. Der Tischlermeister Hermann Schlumbom erhielt von ihm Aufträge für kunstvoll geschnitzte Schränke, einen Schreibsekretär und eine Haustür im neugotischen Stil.
Bodes „Studierzimmer“, ebenfalls Büro der Spar- und Darlehnskasse Egestorf, war sehr seltsam eingerichtet und unter anderem ausgestattet mit einem Skelett, dessen Hand auf einem Globus lag, in den Rippen steckte ein Heidestrauß. Weiterhin stand im Raum das Skelett eines Löwen, und auf dem mit einem Kuhfell bedeckten Tisch lag neben dem Globus eine Schlangenhaut. Bei dem männlichen Gerippe handelte es sich angeblich um die Überreste eines im Hamburger Gefängnis verstorbenen Kriminellen. Es diente bis in die 1970er Jahre in der Schule als Unterrichtsobjekt und wurde von den Kindern „Geist Leo“ genannt. Irgendwann wurde es im Sperrmüll entsorgt …
Die Dorfbewohner nannten das Pfarrhaus scherzhaft „Spökenkiekerhuus“ (Geisterhaus). Walter Brauns, Autor der Bode-Biographie „Der Heidepastor“ und ehemaliger Redakteur beim Laurer-Verlag in Egestorf, verfasste eine plattdeutsche Geschichte mit dem Titel „Spökenkiekerhuus in de Heid“.

 

Das Pastorenhaus wurde 1944 beim Bombenabwurf auf die Dorfmitte schwer beschädigt, hier lebte zu der Zeit Familie Dahnke. Pastor Friedrich Dahnke kam 1945 aus dem Krieg zurück und vermerkte: „Das Pfarrhaus war nach dem Bombenabwurf im November noch nicht ganz wiederhergestellt. Die Fenster waren mit Brettern verschlagen. Das Strohdach war zum großen Teil eingedrückt. Aber dennoch war das Pfarrhaus eng mit Flüchtlingen belegt. Meine Familie wohnte in der großen Stube. Die erste Nacht schliefen wir auf dem Fußboden. Für meine Vertretung war Pastor Gürtler aus Graudenz eingesetzt. Er wohnte mit seiner Frau in der Wohnstube. In der Konfirmandenstube wohnte und hauste auf Feldbetten und den Konfirmandenbänken die Familie Hanseleit mit 4 Personen. Im Obergeschoß wohnte Familie Wiechern mit 3 Personen. Bald kam noch die Familie von Kohrenfeld, ein Schwiegersohn von Pastor Gürtler, mit 4 Personen hinzu. Es war eine drangvoll fürchterliche Enge. Alle waren durch die Erlebnisse nervös und gereizt. Dazu kam der Mangel an Lebensmitteln. So war es in allen Häusern, jedes Haus war bis unters Dach mit Flüchtlingen belegt“ (aus dem Buch 350 Jahre St. Stephanus).

 

Zahlreiche ältere Einwohner Egestorfs können sich noch an das Aussehen des Hauses erinnern: Im Wohnteil befand sich ein langer Flur mit einem roten Backsteinfußboden, die Wandmalereien waren noch vorhanden. Durch die große Stalltür an der Hofseite gelangte man auf die Diele, von der man in den sogenannten „Konfirmandensaal“ für die „Konfirmandenstunden“ hinein ging. Gelegentlich fand in diesem Raum auch Schulunterricht statt, denn die politische Gemeinde hatte das Recht, ihn zu nutzen. Dieses wurde 1957 nach Erweiterung der neuen Schule aufgelöst, sie erhielt als Abfindung von der Kirchengemeinde zwei Morgen (ca. 10.000 m²) Land.

 

 

 Pastor Dahnkes Dienstzeit endete 1964, das Pastorenhaus sollte unbedingt erhalten bleiben und für seinen Nachfolger renoviert und als Gemeindehaus umgebaut werden. Die ersten Arbeiten begannen bereits 1963, der große Umbau sollte 1965 erfolgen. Das Dach war schon mit Reet eingedeckt, als man im Inneren erhebliche Schäden entdeckte, die vorher nicht zu sehen waren. Der Kirchenvorstand und Pastor Dahnke taten alles, um das alte Gebäude zu erhalten - vergebens. Die Renovierung sollte nun viel teurer werden als eingeplant, und so entschloss man sich auch auf Anraten der Landeskirche, die dieses Projekt mitfinanzierte, zum Abbruch. Hiermit endete eine Epoche in der Gemeindegeschichte, denn die Gemeindemitglieder waren mit dem Haus aufs Engste verbunden.
Einige Teile wurden eingelagert, und so fanden zwei Türen (die Haustür und eine sehr alte Zimmertür) 1987 einen Platz im Heimathaus „Dresslers Hus“. Auch eine Glasvitrine aus dem Besitz Pastor Bodes ist seit 2010 hier ausgestellt. Von einer weiteren sehr wertvollen Sakraments-Tür aus dem 15. Jahrhundert existieren nur noch Fotos und die Beschreibung von Fachleuten aus den 1970er Jahren. Sie ist zurzeit leider nicht auffindbar, wurde sie an ein Museum abgegeben?

 

1966 fand die Einweihung des neuen Pfarrhauses statt, Pastor Wolfgang Dietze konnte mit seiner Familie die Dienstwohnung beziehen. Seitdem wird das evangelische Gemeindehaus mit seinen großzügigen Räumlichkeiten für viele Veranstaltungen und Anlässe genutzt. Die Chöre proben hier regelmäßig, eine Leihbücherei wurde bereits vor über 50 Jahren eingerichtet.

Das Egestorfer Pastorenhaus
Spökenkiekerhuus in de Heid

Von Walter Brauns (ca. 1940), anlässlich des Pastor-Bode-Jubiläumsjahres 2010 über-arbeitet von Herbert Timm (damaliger Plattdeutsch-Beauftragter für den Landkreis Harburg)

Dat weer in Äsdörp. De Hochdüütschen nöömt dat ok: Egestorf. Ji kennt em doch all: Willem Bode, den Paster, de in de Heid den groten Naturschutzpark inricht hett. Is nu meist al dörtig Johr her. He weer en Baas, en düchtigen Keerl, as dat nich veel von gifft. Wat hett he nich allens daan för sien Gemeen un anner Lüüd! Man, dor will ik jüst nich vun snacken, blots vun sien Huus, wat he sülvst utstaffeert hett. Junge, weer di dat en Huus! Wahrhaftig en Spökenkiekerhuus!

 

Wat seeg dat dor binnen ut? Merrn op de groot Deel stünn en groten runnen Disch. Dor leeg keen Deek op, aver en Kohhuut. An düssen Disch kunn - as de Herr von’t Huus, de Paster, seggen de - allens vertellt, logen un schreven warrn, wat sünst op keen Kohhuut güng.
Rechter Siet blangen de Deel dor weer de Amts- und Studeerstuuv. Dor seet de Paster mehrstendeels, wenn he wat to doon harr. Keem je ok mal vör. Nee, dat weer bi em so, dat he mehr arbeiden kunn un ok arbeiden dee as dree un veer anner Mannslüüd. In düsse Stuuv kunnen all de Minschen mit em snacken, de wat von em hebben wullen. De Wänn weern duster streken un mit Ekenholt afsett. De eerste Blick, wenn’n rinkummt, fallt nich op en Krüüz, nee, dor weer in de Eck mang twee Finster een Geripp von en groten dootbleven Minsch. De harr een Hand op’n Eerkugel liggen, as wull he seggen: Du büst mien, höörst mi to! Wenn de Heid in lüchten Pracht stünn, steek dor jümmer en Blomenstruuß an de knökern Bost. De Knokenkeerl stünn dor meist as Jan Klapperbeen un snack keen Woord – jüst as du sülvst. Du wunnerst di blots.

 

Man hest di wedder en beten verhaalt un kiekst nu in de annern Ecken rüm, denn sühst dor in den „pastoralen Ruum“ een Geripp von’n groten Lööw. – Wokeen is vun so’n Spökels nich bannig verfehrt! Kunnst wahrhaftig meist dat Gresen lehrn – wenn de Paster nich so’n lange Piep smöken dee un dor nich so’n warmen Aven stünn. Dat maakt, dat all dien Angsten foorts wedder heidi sünd un du büst nümmer bang mang de beiden Gerippen.

 

Denn staht dor noch en Disch un en Pult ut swoor Eken. Dor sitt de Paster jümmer vör, wenn he wat to schrieven hett. In de Dönz is ok noch en groot isern Schapp, so oolt, as harr Adam em al bruukt in sein Gaarn Eden, wat de Hoochdüütschen ok Paradies nöömt. De Posensteels op’n Disch harrn Slangenhuut üm, hett he bi’t Ströpern mal ut de Heid mitbröcht.
An de Wand stünn schreven:


„Ein gut Gewissen und bar Geld,
das ist das Beste in der Welt!“

 

Klingt meist heel anners as „pastoraal“. Man ji mööt weten, Paster Bode weer nich blots Paster, he weer to lieker Tied ok de Baas von de Spar- und Darlehnskass in Äsdörp, de he dor inricht hett.

 

In de een Eck von de Amts- un Studeerstuuv, dat heff ick noch vergeten, güntsiet von de Gerippen hüng noch en ewige Lamp, blangen bi ehr en Marienbild un twee Apostel von Dürer, wat en groten düütschen Maler weer. Nu segg noch een, is di dat nich en Spökenkiekerhuus?

 

Man dat is noch nich allens. As dor malins de Superintendent inkeem, slöög he de Hannen baben den Kopp tosamen un nickköppt un nickköppt egaalweg. Dat kunn he nich begriepen, wat’n Paster in so’n Spökelshuus wahnen much. Un wat seeg he eerst, as he in de groot Dönz keen Bibelsche Versen an de Wänn finnen dee, blots so’n Snackkraam as:

 

„Ein Gericht Kraut mit Liebe
ist besser denn ein gemästeter Ochs mit Haß!“

 

Un baben de Döör in de Köök:


„Ein böses Weib, ein sauer Bier,
behüt uns, lieber Gott, dafür!“

 

De Herr Epherus, as sik de högere Paster nöömt, dach je nu, dat weer noog. Man schiet di wat! Nu geiht’t eerst richtig los! An de Ostensiet von’t Huus weer de Kunfermandensaal anbaut. Dor is baben an de Döör an de witte Wand en langen swatten Disch maalt. Achter den Disch seten söben swatte Raven mit Gesichter, as Minschen se hebbt. Von de beiden Ennens von’n Disch ut wullen twee asig kribbelköppsche Raven sik meist opfreten. Dat Bild harr den venienschen Namen: „Die Synode“. Dor achter den Disch, dat weren de Kollegen von uns Bode, un an de Ennens, dat weren de „Högeren“, de meist nix över een Kamm scheren kunnen.

 

Keen lacht dor? Dat geiht noch wieder, gifft noch mehr: An de Südensiet von den Saal hüng en Bild ut de Glovenslehr. Blangen dit Bild weren twee Apen an de Wand maalt, de dat Bild holen deen un in jüm ehr anner Hand en Sünnschirm dregen. Dor würr de Herr Epherus denn doch’n beten gnatzig un fröög uns Paster, woneem de Sünnschirms denn in dat hillige Book ehr Börgschopp harrn. Un wat anter de Paster em? Dor stünn in dat hillige Book je ok nich, dat de Apen k e e n Sünnschirms drogen harrn. Na, da schull de Högere gau den Utgang na buten söcht hebben.


Un wat seeg he dor noch an de Wand? Twee grote Eselsköpp – un middenmang de twee weer schreven: „Wir sind unser drei!“ De Herr Epherus harr’t al klook kregen un fraag nu nich mehr, woneem denn de drütt weer. He weer wahrhaftig noog wahrschuut worrn un kunn sik meist denken, wat sien Paster em antert harr. Un dat wull he nich hebben. Dorüm holl he sien Swiegstill. Woans em dat ok swoor weer, he snack nix mehr, güng buten Huus un segg Adjüs.

 

Dat weer uns Paster sien Spökenkiekerhuus in Äsdörp merrn in den Heid. He harr nu mal sien grote Höög, wenn annereen sik wunnern dee. Un dor kannst je ok nix to seggen. En Baas weer he tietlevens. Wi all hebbt em vondaag noch veel to danken: He hett de wiede Heid in Neddersassen vör Verschanneln un Ünnergahn redd. Nu köönt wi jümmer uns Freid an ehr hebben, so veel as wi wüllt. 

EDV-gestützter Abruf von Inventar- und Archivgut 

 

Die Bestände der Gemeinde Egestorf und des Heimatvereins wurden in einer umfangreichen Datenbank erfasst.


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