Heimatverein Egestorf e.V.

Erinnerung und zum Geleit

Rede Kantor Heinrich Schulz zur Verleihung der Ehrenbürger – Urkunde im März 1946

 

Wir stehen auf den Trümmern des Reichs.

Schwere Trauer hat unser liebes Dorf. Viele lebensbejahende, zukunftsfrohe Söhne kehren nicht zurück, und mit ihnen haben die betroffenen Familien manche gute Hoffnung, wenn nicht all ihr zeitliches Glück begraben müssen.

Aber es wäre undeutsch, wollten wir jetzt verzweifelt die Hände sinken lassen und in fatalistischer Zerknirschung unserer Sinnen und Wollen gelähmt und zermürbt in Fesseln schlagen lassen. Deutsch denken und fühlen bedeutet jetzt aufbauen wollen, was darnieder liegt. Und zu solchem Wollen habt auch Ihr, meine Freunde, Euch aufgerafft. Und das ist gut. Es gilt jetzt, sich wieder zusammenzuschließen, keine aufbaufähige und aufbauwillige Kraft brach liegen zu lassen, neue Sprungbretter zu suchen, von denen man in gemeinsamem Handeln eine gute Handhabe zu finden hofft und Erfolg erwarten kann, der darin besteht, für unser Dorf und seine Nachbarschaft viel Schönes und Edles, Nützliches und Gutes zu schaffen.

 

Dazu diente einst auch unser Zusammenschluss zu dem Verein, den Ihr heute nicht begraben, sondern dessen Aufgabengebiet Ihr erweitern wollt. Gott und Natur, Kunst und Sitte, Heim, Dorf und Vaterland, das sind einige Stichworte, deren Inhalt Ihr unter dem Begriff Heimat zu heben und zu pflegen die Absicht habt und damit Euch zur Förderung aller kulturellen Bestrebungen bereitfinden lassen wollt. Der Verschönerungsverein verhielt sich zu dem von Euch ins Leben gerufenen Heimatverein wie ein Teil zum Ganzen. So seid Ihr also buchstäblich gewillt, aufs Ganze zu gehen und alles, was unter dem Begriff Kultur zusammengefasst werden kann, der Heimat dienstbar zu machen, der Heimat zugute kommen zu lassen. Ich wünsche Euch dazu von Herzen Glück, und im Namen der Alten begrüße und segne ich als Euer alter Lehrer das Unternehmen; möge es seiner Führung zu keiner Zeit an Weitblick und Verantwortungsbewusstsein fehlen und die Gefolgschaft Opfersinn und Hilfsbereitschaft nie vermissen lassen. Die beste Tugend aber, die beide beseelen muss, ist die Treue.

 

Es sei mir nun noch erlaubt, dass ich mich über das Werk, von dem wir Alten uns heute zurückziehen und das wir gern und willig in Eure arbeitsbereiten Hände legen ein wenig verbreite.

Der Gedanke eines Verschönerungsvereins – ich darf es heute sagen – ist meinem unmaßgeblichem Hirn entsprungen, ein Gedanke, der mir sofort kam, als ich diese wunderschöne Landschaft im Westen unseres Dorfes zum erstenmal durchstreifte, damals aber noch über Stock und Block. Wie ein Vorgelände des Thüringer Waldes deuchte mir dieses entzückende Bild. Unser damaliger Arzt Dr. Schild und Gemeindevorsteher Carl Vogt waren die Männer, die sofort Verständnis für die Sache an den Tag legten. Und dann haben wir es gewagt, und es ist uns gelungen, allerdings im Gegensatz zu unserem sonst für jeden Fortschritt begeisterten und in allem, das er unternahm, so überaus erfolgreichen Pastor Bode, dessen Wirksamkeit auf volkswirtschaftlichem Gebiet für seine Gemeinde von großem Segen begleitet war.

 

Als ich mit ihm zum erstenmal von einem Verschönerungsverein sprach, entgegnete er in seiner raschen Art: „Mein Freund, das ist ein totgeborenes Kind!“ – Einem Kinde allerdings war unser Verein vergleichbar, aber es lebte, wuchs und erwies sich als entwicklungsfähig, und nach einigen Kinderkrankheiten, die das „Kind“ leicht und gut überstand, weil es von Haus aus gesund war, gelangte es als „Jüngling“ und „Mann“ bald zur Arbeitsfähigkeit. Das unsern Dorfpark durchziehende Wegenetz ist in seinem Hin und Her 6 km lang. Es wurde von Karl Putensen mit einer Breite von 1,20 m ausgehauen. Damit waren die schönsten Punkte dieses Gebietes für jedermann leicht und bequem zugänglich gemacht und mit Ruhebänken, von den Mitgliedern einzeln oder in Gemeinschaft von zwei oder drei gestiftet, versehen.

 

Der Park erfreute sich zunehmender Beliebtheit. Man sah tatsächlich – es war keine fata morgana – junge und alte Eheleute sogar nebeneinander – das war nicht immer Mode – an Sonntagnachmittagen dem Park zustreben, um darin spazieren zu gehen. Mancher, der am Sonntag oder zu Familienfesten Besuch bekam, führte seine Gäste gern auch durch den Dorfpark, der unser ganzer Stolz war, den wir liebten als ein Stück der schönen Heimat und der nach und nach auch das Entzücken der Fremden wurde, die sich in Egestorf zur Erholung aufhielten.

So hat die Wirksamkeit des Verschönerungsvereins dazu beigetragen, dass unser Dorf als Sommerfrische bald einen gewissen Ruf erlangte und eine Reihe von Privatpensionen eröffnet werden konnten, die wiederum auch Handel und Gewerbe im Dorfleben günstig beeinflussten. Das alles war aber nur möglich Dank dem anzuerkennenden Entgegenkommen der Besitzer des Grund und Bodens, die die Durchquerung ihrer Gebiete zumeist bereitwilligst gestatteten.

 

Höhepunkte im Vereinsleben waren, bevor die ungute Gleichmacherei einsetzte, immer unsere Himmelfahrtsspaziergänge, welche „das ganze Dorf“ auf die Beine brachten, mit anschließender Kaffeetafel in Rieckmanns Garten und mit einem Familienabend hier auf dem Saale. Unsere Chöre, der Männergesangverein, der Kirchenchor und zuweilen auch der Schulchor verschönten mit ihren Liedern diese Spaziergänge und die Feier am Abend, in welche sich regelmäßig auch ein Vortrag aus der Dorfgeschichte zwanglos einfügte. Auch das war ein Stück praktischer Kulturarbeit, wie ich glaube, wohl geeignet, die Liebe zur Heimat und die Lust zum Dorfleben zu fördern und zu vertiefen.

 

Lüneburg, den 24. März 1946    

                                                                                  gez. H. Schulz

EDV-gestützter Abruf von Inventar- und Archivgut 

 

Die Bestände der Gemeinde Egestorf und des Heimatvereins wurden in einer umfangreichen Datenbank erfasst.


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