Heimatverein Egestorf e.V.

100 Jahre zentrale Wasserversorgung in Egestorf

 

1909 wurde in Egestorf eine Wasserleitungs-Genossenschaft gegründet und eine zentrale Wasserversorgungs-Leitung gelegt. Diese für unser kleines Dorf fortschrittliche Einrichtung haben wir unserem Pastor Wilhelm Bode zu verdanken.

 

In Egestorf war Wasser meistens, vor allen Dingen im Sommer, sehr knapp. Mehrere Brunnen standen im Ort, zum Beispiel am Sudermühler Weg vor dem Pastorenhaus, an der Lübberstedter Straße/ Ecke Im Sande, in der Schätzendorfer Straße auf dem Grundstück von Ahlers (heute Huter) und der jetzt noch vorhandene „Soot" vom Främbs-Hoff (Blumenberg-Neven) am Hauskoppelweg. Dieser Brunnen war in Trockenzeiten oftmals der einzige im Ort, der noch Wasser hatte, die Egestorfer mussten es dann mühsam aus der Aue heran holen. Dr. Rolf Lüer berichtet im Kreiskalender 2004 in einem Artikel über die Wasserversorgung im ehemaligen Kreise Winsen, dass alle Brunnen offen oder nur mangelhaft zugedeckt waren, es kam vor, dass Tiere (z.B. Katzen oder Vögel), hineinfielen und darin verendeten: Primitive Brunnen, die alle Rücksichten auf Hygiene außer acht ließen. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert begann man, die Verhältnisse vielerorts als untragbar zu empfinden. Die Bevölkerungszahl wuchs, die Viehbestände wurden größer, die Dorfbewohner hatten auch langsam wachsende Ansprüche an die Wasserversorgung.

 

Der Egestorfer Chronist Kantor Heinrich Schulz schrieb:
Das Jahr 1909 hat unserm Dorfe den größten Fortschritt gebracht, den es jemals zu verzeichnen hatte, die Wasserleitung. Ich kann den Segen dieser Einrichtung nicht treffender schildern, als es in einem der Feder unseres Herrn Pastor Bode entstammenden Berichtes der „Winsener Nachrichten" geschieht.

Der Bericht lautet:

Egestorf, 26. April 1910. Heute fand durch Herrn Meliorations-Bauinspektor Drees aus Lüneburg, als Vertreter der Königlichen Regierung, die Abnahme der hiesigen Wasserleitung statt. Das Werk, welches ursprünglich für 37 Haushaltungen gedacht war, liefert jetzt den Bedarf fast für die ganze Ortschaft. Von den 66 Wohngebäuden sind nur 6 nicht angeschlossen. Das Sammelbecken hält über 200 Kubikmeter. Zu dem Kostenanschlage von 42.000 M hat der Westfonds bis jetzt 25 % beigesteuert. Diese Beihilfe der Behörden von mehr als 10.000 M, für deren Erwirkung wir dem Herrn Regierungspräsidenten zu besonderem Danke verpflichtet sind, ermöglichte es, die Anlage so mustergültig auszugestalten, daß sie für weitere Kreise als vorbildlich dienen kann, wie sie ja auch die größte dörfliche Wasserleitung der Provinz Hannover darstellt. Je größer ehedem die Schwierigkeiten der Wasserbeschaffung bei uns waren, desto mehr Anerkennung findet der glückliche, sorgsam durchdachte Entwurf und die tadellose, gut funktionierende Ausführung des Unternehmens, welches als ein Kulturwerk ersten Ranges angesprochen werden darf. Die praktische Ausführung war dem Klempnermeister Stelter - Amelinghausen übertragen. Jetzt erst ist eine Ausdehnung unserer Ortschaft möglich geworden, und gern tragen alle Genossen die verhältnismäßig geringen Beitragskosten, nun die wasserlose, schreckliche Zeit endgültig beseitigt ist. Nach wenigen Jahren wird man eine Beschreibung, wie sich hier die Menschen das Wasser förmlich abjagden und die wenigen Brunnenwippen von morgens vor Tag und Tau bis zum mitternächtlichen Hahnenschrei in ständiger Bewegung hielten, wahrscheinlich ins Reich der Fabel verweisen. Nur wer diese Zeiten selbst mit erlebt hat, wer es mit eigenen Augen gesehen hat, wie zur Winterszeit Bauern auf vereisten Wagen eine halbe Stunde Weges ihren Bedarf heranholen mussten, wird den Segen der Neueinrichtung, dieses ganz unendlichen Fortschritts unseres Wirtschaftslebens, in vollem Umfange zu würdigen wissen und denen dankbar sein, die trotz aller Widerwärtigkeiten und Enttäuschungen nicht nachließen, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Besondere Anerkennung gehört dem Vorstande (Höfner Peter Jobmann, Töpfermeister Carl Vogt und Abbauer Georg Sengstacke), auch dass er das ganze, etwa 30 Morgen (7,5 ha) umfassende Quellgebiet des Schöpfwerkes für die Genossenschaft käuflich erwarb und dadurch die Gewähr für eine dauernd gute Beschaffenheit des Wassers schuf. Hoffentlich ist nun die Zeit nicht mehr fern, daß die ganze Anlage auf die Dorfschaft übergeht und die Genossenschaft, welche für ein derartiges Wirtschaftsunternehmen eine viel zu schwerfällige und kostenspielige Rechtsform darstellt und deshalb nur als Notbehelf zulässig erscheint, aufgelöst werden kann. Ist das erreicht so wäre an der Sache überhaupt nichts mehr auszusetzen.

 

Das genannte Quellgebiet des Schöpfwerkes ist unser heutiges Schwimmbadgelände „Aquadies" im Dorfpark, ein Windrad stand auf der Anhöhe oberhalb des Parkplatzes in der Nähe des Pumpenhauses. Die Wasserleitungs-Genossenschaft existierte noch viele Jahre, sie wurde Ende der 1940er Jahre aufgelöst, die Versorgung übernahm die Gemeinde. Die Wasserleitung hatte in den harten Wintern der Kriegs- und Nachkriegszeit schwere Schäden erlitten. Aber auch die Gemeinde konnte das veraltete Netz nicht auf den neuzeitlichen Stand bringen, darum beschloss der Gemeinderat Ende der 1960er Jahre die Abgabe an den Wasserbeschaffungsverband Harburg.

 

Die Original-Bauzeichnungen von 1908/09 befinden sich im Genossenschaftlichen Archiv in Hanstedt (Volksbank Nordheide), die Kopien hiervon sowie weitere Unterlagen werden im Egestorfer Archiv in Dresslers Hus aufbewahrt. Interessierte können diese zur Öffnungszeit (donnerstags 16.00-18.00 Uhr) einsehen.


EDV-gestützter Abruf von Inventar- und Archivgut 

 

Die Bestände der Gemeinde Egestorf und des Heimatvereins wurden in einer umfangreichen Datenbank erfasst.


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