Heimatverein Egestorf e.V.

Kriegsende April 1945 - Was geschah in den Dörfern unserer Gemeinde?

 

75 Jahre sind seit dem Ende des 2. Weltkrieges vergangen. Leider gibt es nicht sehr viele Berichte darüber, was in unseren Dörfern damals geschah, nur wenige Zeitzeugen schrieben ihre Erlebnisse auf. Die Egestorfer Chronik mit den Aufzeichnungen aus dieser Zeit hat sich leider noch nicht wieder angefunden, aber von Döhle, Evendorf sowie Sahrendorf / Schätzendorf sind Berichte in den Schulchroniken vorhanden.

Egestorf - Dr. Rolf Lüer schrieb 1985 auf: Wenn ich mich richtig erinnere, war es um den 10. April 1945 als alle zu Schanzarbeiten nach Hanstedt befohlen wurden, Jugendliche - ich war damals noch nicht 16 Jahre alt - Frauen, ältere Männer, auch Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus dem Osten. Eine Panzersperre wurde im Bachgrund zwischen Schätzendorf und Nindorf errichtet. Sie bestand aus Baumstämmen, die wohl 2,50 m aus der Erde ragten, im Abstand von rd. 3 m eine zweite Reihe, dazwischen wurde Erde aufgefüllt. Der enge Straßendurchlass konnte mit quergelegten Stämmen gesperrt werden, zwischen die dann ebenfalls Erde gefüllt wurde. Seitlich im Gelände wurde ein Panzergraben ausgeworfen, dessen Reste heute noch zu sehen sind.

Eine zweite Panzersperre, bei der ich mitschaufeln musste, wurde vor dem Ortseingang von Hanstedt gegraben. Wir hatten Angst, Tiefflieger, die damals auf alles schossen, würden uns angreifen, aber nichts geschah. Die Panzersperren sind nicht verteidigt worden, so wurden wenigstens hier Verluste von Blut und Gut vermieden. Am 19.4.1945 waren die Engländer in Egestorf.

Heinz-Wilhelm Bahlburg berichtete in seinen Erinnerungen: Am 19. April 1945 kam der Engländer mit Panzer-Spähwagen von der Sudermühle her ins Dorf. Hinter dem Bahnhof in Richtung Döhle war eine Panzersperre gebaut, sie wurde durch Beschuss zerstört, aber leider auch die Scheune von Wiechern in Döhle, die in der Schussbahn stand.

Bürgermeister Fritz Albers wurde von den englischen Offizieren zur Ortsübergabe aufgefordert sowie die Ablieferung von Jagdgewehren, Ferngläsern und Fotoapparaten sowie Räumung etlicher Häuser im Ortskern und Scheunen für Lagerung von Material und Treibstoff. Aus diesen Beständen haben wir uns auch mitversorgt. Der neue Bürgermeister wurde von den Engländern eingesetzt.   (Anm.: Wilhelm Schlumbom)

Döhle - In der Schulchronik vermerkte der damalige Lehrer Gericke: Infolge der Ereignisse des Krieges wurde mit dem Näherrücken der Front die Schule am 10. April 1945 geschlossen. Für kurze Zeit war das Schulhaus mit britischen Truppen belegt. – Nach meiner vorläufigen Bestätigung durch die Militärregierung konnte der Schulbetrieb am 1. Sept. 1945 zunächst mit der Grundschule wieder aufgenommen werden. Ab 15. Sept. 45 gab es wieder Unterricht für alle Kinder. Zunächst war der Unterricht allerdings auf wenige Fächer beschränkt.

Evendorf – In der Evendorfer Chronik wurde erst 1946 über Schäden, die die Besatzungsmacht verursachte, berichtet: Nach neunmonatiger Pause wird am 22. Januar 1946 der Schulbetrieb unter größten äußeren Schwierigkeiten wieder aufgenommen. Die Schülerzahl beträgt 81, für den Unterricht steht eine Lehrkraft und ein Klassenraum zur Verfügung. Die Schule zeigt deutlich die Spuren von Einquartierung und Verwaisung. In Abständen hatte die Klasse nämlich als Quartier für flämische Legionäre, britische Truppen und für zwei evakuierte Berliner Familien gedient. Das Schulgestühl war vorübergehend auf dem Schulhof abgestellt, aller Witterung ausgesetzt und stark mitgenommen, fast alle Tintenfässer zerschlagen und kaum ein Bein an Tischen und Bänken war noch fest (der derzeitige Lehrer Meyer war von den britischen Truppen interniert, so dass sich keiner fand, der aus Interesse seine schützende Hand über die Schule hielt). Die Schulschränke waren durchwühlt. Infolge der herrschenden Papierknappheit wanderten Schulakten, Bücher der Lehrer- und Schülerbibliothek auf den Abort oder in den Ofen. Die physikalischen Anschauungskästen und Sammlungen waren ausgeraubt, ein fast fabrikneuer Schmalfilmapparat von englischen Truppen entfremdet. Glücklicherweise befanden sich Nähmaschine, Radioapparat und die Schulchronik in der Wohnung dreier Bürger der Gemeinde, so dass sie der Schule erhalten blieben. Sämtliche Schulbücher der vergangenen Epoche waren ablieferungspflichtig und wurden eingestampft.

Sahrendorf / Schätzendorf - Sehr ausführlich beschrieb Lehrer Fritz Niebuhr die damaligen Lebensumstände in der Schulchronik: 1945 - der Januar beginnt mit dem Winter, endlich gibt es Schnee und auch Schlackerwetter und Glatteis. Die Gemeinde muss in der nächsten Zeit etwa 1000 m Holz aus dem Park an die feste Straße fahren. Es wird gebraucht als „Gasholz“ für Hamburg. Der Februar brachte viel Regen und Sturm. In den letzten Tagen des Februars, den ersten des März kamen in unseren Ort und alle umliegenden Dörfer viele Ostflüchtlinge. Das Dorf ist voll belegt, dennoch muss noch immer Platz sein für andere. Erschütternde Bilder sahen wir, als die Trecks, Wochen unterwegs, die Landstraße nach Nindorf - Hanstedt fuhren. Auf den Wagen die letzte Habe, müde Kindergesichter, Mütter. Das Ziel der vielen Wagen ist der Kreis Stade. Die letzten Wochen brachten häufig Alarme, tags, abends, auch nachts Tieffliegergefahr.

Nun sind auch in unsere Gemeinde Trecks gekommen, obgleich der Wohnraum beschränkt ist, mussten sie untergebracht werden; denn viele, viele liegen auf der Straße, ein Zug des Jammers, der Heimatlosen, welch ein Elend. Unterwegs starben Kinder, Frauen, Männer. Irgendwo am Weg sind ihre Gräber.

Jedes Haus ist eng geworden. Die Wochen rasen dahin, und mit ihnen die Not. Unser Dorf hat Tage der Gefahr. Soldaten, Soldaten, Tag und Nacht rollen Wagen, Autos, Räder über die Straße nach Hamburg zu. Bomber, Tiefflieger. Wir suchen Schutz im Wald, graben Löcher. Die Auebrücke ist gesprengt. Was wird aus dem Dorf? In Sahrendorf erscheinen aus Richtung Undeloh die ersten englischen Panzer, am 20.4.1945 auch in aller Herrgottsfrühe aus Richtung Egestorf. Und dann rollen, als Hamburg frei erklärt ist, die Kolonnen nach Norden.

Unser Dorf nahm keinen Schaden. Deutschland ist zusammengebrochen. Zweimal hatte das Dorf (Schätzendorf) Einquartierung. Geräumt hatten: Heinrich Schlüschen, Gustav Ahrens, Ernst Voß, Heinrich Isernhagen, Hermann Witte, Frl. Helene Cyriax, Schule, Heinrich Inselmann.

An die Sperrzeiten und Vorschriften hat sich jeder schnell gewöhnen müssen. Alle Waffen im Dorf sind abgeliefert. Nach längerer Unterbrechung läuft auch die Post wieder. Viele Soldaten sind heimgekehrt, still und doch froh, bei den Lieben zu sein. Klar, auf manchen Sohn oder Gatten warten die Angehörigen noch in Sorge, viele unserer Gemeinde kehren niemals wieder. Schwierigkeiten ergeben sich genügend in der Unterbringung und Versorgung der vielen Flüchtlinge und der allgemeinen Not, aber nach solchen Jahren der Zerstörung und des Elends bedarf es langer Zeit der Anstrengung, bis normale Verhältnisse die Jahre des Leides und der Not ablösen.

Zu den Schwierigkeiten treten Gefahren, mit denen wir nicht rechnen konnten. In der Feldflur ist der Kartoffelkäfer aufgetreten. Jede Woche gehen die Kinder beide Feldfluren ab. Bis Mitte Juli fanden wir 14 Fundstellen.

Die Auebrücke ist als Notbrücke nun wiederhergestellt, die Sperre in Sahrendorf beseitigt, und auch die Schäden durch Bombenabwurf sind behoben. Wir haben Grund zum Danken, dass unsere engere Heimat uns erhalten blieb.

Unsere Gemeinde zählt nun statt 382 etwa 640 Einwohner, Menschen aus Ost, Nord, Süd und West. Im Monat Dezember wurden an der Landstraße nach Egestorf viele der alten Birken gefällt, so dass diese schöne Straße nun große Lücken in den Baumreihen aufweist. Das Holz soll der Bäcker bekommen, da Kohlen fehlen.

EDV-gestützter Abruf von Inventar- und Archivgut 

 

Die Bestände der Gemeinde Egestorf und des Heimatvereins wurden in einer umfangreichen Datenbank erfasst.


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