Heimatverein Egestorf e.V.

Deutschland, Deutschland über alles

1914 – 2014 - Einhundert Jahre Erster Weltkrieg

 

In vielen Orten erinnerten im Jahr 2014 Ausstellungen und Vorträge an die Ereignisse des Ersten Weltkrieges. Auch der Heimatverein Egestorf beteiligte sich hieran ab 2. August im Rahmen des Kultursommers im Landkreis Harburg zum Thema „Herzklopfen“ mit einer Dokumentation in Dresslers Hus. In den Schulchroniken der Dörfer unserer Gemeinde befinden sich über diese Zeit viele Aufzeichnungen. Kantor Heinrich Schulz aus Egestorf berichtete ausführlich über die Kriegszeit in seiner Chronik Egestorf 1902 – 1928, die der Heimatverein 2007 veröffentlichte. Hieraus einige Auszüge:

„Die letzten Tage des Juli waren Tage banger Sorge und Aufregung. Wir schwebten zwischen Furcht und Hoffnung und sahen schließlich jeden Hoffnungsschimmer dahinschwinden. Von Tag zu Tag lauteten die Nachrichten über die Frage, ob Krieg, ob Frieden, für den Frieden aussichtsloser.

 

31. Juli – Schlachtermeister Fröhling aus Salzhausen erschien mit versiegelten Befehlen vom Bezirkskommando Lüneburg an die Gemeinden jenseits der Aue. Wir befanden uns bereits im ‚Zustand drohender Kriegsgefahr’. Um 6 Uhr nachmittags blies der Gemeindevorsteher Vogt das seit Jahrzehnten nicht mehr benutzte Gemeindehorn. Auf der Straße vor Kruses Gastwirtschaft strömte das Dorf zusammen. Allerlei Bestimmungen, die Sicherheit des Landes betreffend, wurden verlesen. Am Sonnabend, den 1. August, wurde die Mobilmachung des Heeres und der Flotte angeordnet uns abends um 7 Uhr der Krieg an Russland erklärt. In derselben Stunde noch war die Kriegserklärung im ganzen Reich bekannt, auch hier in Egestorf. Der Vorsteher blies wieder das Horn und verlas die Mobilmachung betreffende Vorschriften.

Der 2. August, der als erster Mobilmachungstag galt, war Sonntag, ein wundervoller Sommertag. (Anm.: Der Originalaushang des Mobilmachungsbefehls befindet sich im Archiv und wird auf der Ausstellung zu sehen sein).

 

Wie ganz anders klangen an diesem Tag die Glocken! Wie spürte jeder den tiefinnerlichen Drang zu gemeinsamen Gebet im Gotteshaus! Die Worte des Liedes: ‚Zum Herrn erhebt die Herzen, zum Herrn erhebt die Hand, Gott schütze unser teures, geliebtes Vaterland’ war keine Phrase. Es war ein erhebender Gottesdienst. Da blieb kein Auge tränenleer.

Unvergesslich wird mir ein Augusttag des Jahres 1914 bleiben. Ich bin beim Unterricht in der Schule. Es klopft, und herein tritt ein Nindorfer Bauer: „Herr Schulz, wollen Sie nicht bitte sofort durch die Kinder im Ort herumsagen lassen, dass Lebensmittel an die Bahn nach Buchholz gebracht werden! Die Ortschaften dort in der Gegend haben schon die ganze Woche die Verpflegung der durchfahrenden Truppen getragen. Jetzt müssen die Dörfer hier oben auch mal etwas tun!“

 

Im Handumdrehen hatten die Kinder diese Botschaft in die Häuser getragen, und nach Verlauf von einer Stunde standen zwei Wagen, beladen mit Säcken voll Brot, Eimer voll Butter, Kannen voll Milch, Körben voll Wurst und Schinken auf Kruses Hof zur Abfahrt nach Buchholz bereit. Frau Dr. Schild, Pastor Bodes Tochter, mit einigen jungen Mädchen und ich begleiteten den Transport. In Buchholz sahen wir in Abständen von zehn Minuten Zug auf Zug in den Bahnhof einlaufen, mit Infanterie, Geschützen oder Pferden beladen. Die Soldaten wurden nicht müde, immer wieder anzustimmen: „Deutschland, Deutschland über alles“ und „Es braust ein Ruf wie Donnerhall“. Auf dem Bahnsteig wurden an langen Tischen die mitgebrachten Vorräte den Soldaten mundgerecht gemacht. Die jungen Mädchen trugen Milch, Kaffee und Butterbrote an die Wagen, wo sie reißenden Absatz fanden.

Solange Wolle zu kaufen war, wurde für die Soldaten gestrickt. Die jungen Mädchen versammelten sich an bestimmten Abenden im Pfarrhaus, um Strümpfe, Leibbinden, Pulswärmer, Kopfschützer herzustellen, welche besonders in dem unwirtlichen Russland und in den Karpaten kämpfenden Kriegern zugute kommen sollten.

 

Aber unsere Feldgrauen haben trotzdem den zweiten Winterfeldzug besser überstanden als den ersten, weil man sich auf ihn besser vorbereiten konnte. Durch Pastor Bodes Vermittlung wurde, solange der Krieg dauerte, jedem aus unserem Kirchspiel im Feld Stehenden – zuletzt etwa zweihundert Mann – ein wertvolles Weihnachtspaket gesandt, wozu die Mittel reichlich in die Becken flossen oder von einzelnen wohlhabenden Freunden unserer Kirche außerhalb der Gemeinde gespendet wurden. Selbst die Schuljugend wollte es sich nicht nehmen lassen, am Kampf und Sieg des Vaterlandes mitzuhelfen. Von ihrem Erlös aus der reichen Bickbeerernte von 1915 spendete sie aus eigenem Antrieb einen Teil für unsere Soldaten.

Im November 1914 hatten wir, wie fast alle Ortschaften der Provinz Hannover, Gelegenheit, uns die Folgen des furchtbaren Russeneinfalls in Ostpreußen aus nächster Anschauung vor Augen zu führen. Siebzehn arme Flüchtlinge, sämtlich Frauen und Kinder, hielten. Die acht Kinder besuchten bis zu ihrer Rückkehr in die Heimat unsere Schule. Zwei von ihnen sprachen polnisch, sie verstanden, sprachen und schrieben aber auch ganz gut Deutsch. Das Weihnachtsfest hofften sie wieder in der Heimat feiern zu können.

Aber sie mussten sich noch gedulden, bis Vater Hindenburg in der Winterschlacht im Februar 1915 Ostpreußen von den Russen gesäubert hatte. Wie glücklich waren da alle, als sie endlich in den ersten Tagen des März heimkehren durften.“

EDV-gestützter Abruf von Inventar- und Archivgut 

 

Die Bestände der Gemeinde Egestorf und des Heimatvereins wurden in einer umfangreichen Datenbank erfasst.


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